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J. W. A. Kosmann: Leben des verstorbenen Herrn Doktor Johann Georg Krünitz
Aus: Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Mark Brandenburg. Hrsg. von F. L. W. Fischbach, J. W. A. Kosmann u. Th. Heinsius. Band 3, Berlin 1797, 372-391.
 

Der verstorbene Herr Doktor Krünitz war nicht nur sein ganzes Leben hindurch unermüdet thätig, nützliche Kenntnisse unter das deutsche Publikum zu bringen, und dadurch die Resultate des Nachdenkens, großer Männer, dem eigentlichen Volk zu gute kommen zu lassen, sondern er war auch ein redlicher Mann, ein guter Gatte und Vater, und hat daher um so mehr Anspruch darauf zu machen, daß seiner in dieser Zeitschrift Erwähnung geschehe, da er sie mit einigen Beiträgen, ohngeachtet seiner übrigen vielen Geschäfte, zu bereichern, die Güte hatte. Es kann dieser Lebensbeschreibung auch um so weniger an Interesse für unsere Leser fehlen, da es doch der Mühe werth ist, daß man mit einem Manne näher bekannt zu werden suche, der einzig für die Nation lebte, der täglich 12 bis 16 Stunden unermüdet beschäftigt war, aus dem Vorrath des menschlichen Wissens dasjenige auszuheben, und in mehrern Umlauf zu bringen welches das Wohl des Volks befördern konnte, und der die Kultur der Talentvollsten Köpfe auf die minder Talentvollen übertrug. Wenn auch ein solcher Mann, nichts eigenes geleistet und die Wissenschaften nicht erweitert hätte, so gebührt ihm doch eben der Ruhm, den wir jenem so gern zollen, welcher ungenutzte und in den Eingeweiden der Erde schlummernde Schätze, zum Tageslicht befördert, oder das Volk unerkannte Reichthümer seines Landes zum Besten der Industrie anzuwenden lehrte.

Johann Georg Krünitz wurde den 28sten März 1728 in Berlin gebohren. Sein Vater Georg Christoph war ein hiesiger Kauf- und Handelsherr, seine Mutter Dorothea Catharine aber eine gebohrne Fritsche. 1747 legte er in der hiesigen Marienkirche das gewöhnliche erste Glaubensbekentnis ab. Im hiesigen Berlinischen Gymnasium bildete er sich unter dem Rektor Wippel zuerst in den Humanioren, und brachte es vorzüglich im Verständnis der alten Klassiker weit. 1747 bezog er den 3ten April die Universität Göttingen, wo ihn der große Haller unter die Zahl der akademischen Bürger einschrieb. Hier hörte er Physiologie, Anatomie und Botanik bei Haller, Arithmetik, Geometrie, angewandte Mathematik und Physik bei Segner, Diätetik und ein Praktikum beim Hofrath Richter, und die Logik bei Simonetti. 1748 bezog er den 23sten April die Universität zu Frankfurt an der Oder, wo ihn Polak einschrieb. Er hörte daselbst: de morbis mulierum und Semiotik bei Bergen, ein Kollegium pathologico – semiotico- therapeuticum und materiam medicam bei Kartheusern, Mathematik bei Polak, Logik bei Baumgarten, de vero Systemate mundi bei Bergen, ein Formulare bei demselben und de morbis infantum bei Kartheuser, die Chemie aber privatissime.

Den ersten Julius 1749 erwarb er sich durch Vertheidigung einer von ihm selbst geschriebenen Dissertation de matimonio morborum multorum remedio, die medizinische Doktorwürde. Auf Anrathen seiner Lehrer, vorzüglich des Professors Baumgarten, bei dem er bisher gewohnt hatte, faßte er hierauf den Entschluß, Frankfurt zu seinem fernern Wohnsitz zu wählen, und nicht nur Privatvorlesungen daselbst zu halten, sondern auch die medizinische Praxis zu treiben. In diesem Jahre wurde sein ehemaliger göttingischer Lehrer und Freund, der Herr Professor Simonetti, welcher, nachdem er Göttingen verlassen, nach Berlin gezogen war, und daselbst die Berlinischen wöchentlichen Berichte herauszugeben anfing, nach Frankfurt berufen, wo unser Krünitz von ihm zum Mitarbeiter dieser gelehrten Zeitung erwählt wurde, zu der er auch bis in das Jahr 1751 die physikalischen, medizinischen, und in die schönen Wissenschaften einschlagenden Artikel lieferte. Nachdem diese Zeitung im Jahr 1751 geschlossen wurde, ward er Mitarbeiter an den zu Leipzig in 5 Bänden oder 20 Theilen herausgekommenen ökonomisch – physikalischen Abhandlungen, und am alten sowohl als neuen Hamburger Magazin, von welchem leztern er es auch beständig bis zum Jahr 1775 blieb. Seine übrige Zeit verwendete er auf die Ausarbeitung medizinischer Dissertationen für Doktoranden und auf die Sammlung einer physikalisch – medizinisch – ökonomisch – technischen Realbibliothek, von welcher er im ersten Theil des gemeinnützigen Vorraths auserlesener Aufsätze 20. Leipzig 1767. 8. S. I. folg. eine Nachricht ertheilte, und die er nicht allein bei den litterarischen Anmerkungen zu den von ihm herausgegebenen Uebersetzungen nutzte, sondern die ihm auch bei Bearbeitung seiner ökonomischen Encyklopädie auf die treflichste Art zu statten kam. Vorzüglich freute er sich, wenn sie ihm die erwünschte Gelegenheit verschaffte, unzählichen Gelehrten, die davon Nachricht erhalten, und ihn um Auszüge daraus, zum Behuf ihrer Arbeiten ersuchten, dienen zu können. Die Gesellschaft der Freunde der schönen Wissenschaften, welche Herr Professor Gottlieb Samuel Nikolai in Halle errichtete, und in Frankfurt fortsetzte, stand er vom Jahr 1755 bis 1759 als Senior und Sekretair vor, der von Kartheusern zu Frankfurt errichteten Gesellschaft der schönen Wissenschaften aber, und deren Versammlungen wohnte er in den Jahren 1758 und 1759 als Ehrenmitglied bei. Was ihm besonders seinen Aufenthalt in Frankfurt vorzüglich angenehm macht, war die freundschaftliche vertrauteste Verbindung, in der er mit dem Professor Nikolai, seinem ehemaligen Schul- und nachherigen wahren Busenfreund stand, dessen gleichen er weder vorher noch nachher gehabt zu haben behauptete. Als dieser daher 1759 den Ruf nach Zerbst erhielt und annahm, ward er durch diesen Umstand sowohl, als auch durch das wiederholte Ansuchen seiner Eltern und Verwandten veranlaßt, im November 1759 Frankfurt zu verlassen, und sich mit seiner Familien nach seiner Vaterstadt Berlin zu begeben, woselbst er die medizinische Praxis fortsetzte und vorzüglich schriftstellerischen Arbeiten oblag. Bei dem sanguinisch – cholerischen Temperament, das er besaß, und bei der vorzüglich dauerhaften Gesundheit, der er sich von Kindesbeinen an zu erfreuen hatte, und welche durch keine Krankheit in jüngern Jahren, als durch ein hitziges Fieber 1758 unterbrochen ward, das er sich durch die Besorgung der österreichischen Kriegsgefangenen, unter denen es sehr herrschend war, zuzog, war er im Stande, die strengste sitzende Lebensart auszuhalten, und an den mühsamsten und beschwerlichsten Beschäftigungen, wohin außer der Ausarbeitung seiner ökonomischen Encyklopädie, wovon er sich anheischig machte jährlich 3 Theile zu liefern, auch die Korrekturen eines ansehnlichen Theils der in den Berlinischen Druckereien zum Vorschein gekommenen Werke gehören, ein wahres Vergnügen zu finden. Nur seit 1776 empfand er, jedoch ohne die mindeste Schwächung seiner Lust zu arbeiten, und ohne die geringste Verdunkelung der Heiterkeit seines Geistes, gewisse Brustbeschwerden, welche beim Ausgehen den höchsten Grad der Stärke erreichten, und ihm eine Brustwassersucht zu verrathen schienen. Zu seiner dauerhaften sonstigen Gesundheit trugen wohl vorzüglich die durch den Hofrath Richter in Göttingen 1747 bei Heilung des bei den botanischen Exkursionen entstandenen periodischen Blutspukens zu Stande gebrachten, und seit der Zeit regelmäßig erfolgten Hämorrhoiden, und seine Enthaltsamkeit vom Weine bei. Sonderbar ist es, daß er kein Wasser, selbst beim stärksten Durst nicht zu trinken vermochte. Vielleicht ist es meinen Lesern nicht unlieb, wenn ich eine Nachricht von seinem Gesundheitszustand, die er 1777 aufsetzte, hier unten in einer Note abdrucken lasse, die daneben auch darthun wird, wie wenig der Schriftsteller gemeiniglich für alles sein Streben hat, das er anwendet, dem Publikum nützlich zu werden.

Nachricht von Johann Georg Krünitz über seinen Gesundheitszustand, die er 1777 aufsetzte

Im März 1772 wurde er von der oberlausitzischen ökonomischen Bienengesellschaft zum Ehren- und physikalischen Mitglied, 1774 von der Leipziger ökonomischen Gesellschaft zum Ehrenmitglied, 1776 von der ökonomisch – patriotischen Societät in Schlesien zum ordentlichen Mitglied und Korrespondenten, und 1776 von der freien ökonomischen Gesellschaft zu Petersburg zum Mitglied aufgenommen. Die öfters an ihn ergangenen Vorschläge theils zu akademischen Lehrstellen, theils zu Physikaten, schlug er aus Hang und Beruf zu mühsamern, obgleich weniger einträglichen Beschäftigungen stets aus. Im Jahr 1752, den 23sten November, verehelichte er sich in Frankfurt mit der Demoiselle Anna Sophie Lehmann, einer Tochter eines dasigen Kaufmanns und Gewandschneiders, mit der er 6 Kinder zeugte, wovon noch ein Sohn Georg Friedrich am Leben.

1780, den 24sten April starb ihm diese seine Gattin nach einer fünfwöchentlichen Krankheit, in einem Alter von 49 Jahren 1 Monat 10 Tagen, nachdem er 27 Jahr 5 Monate eine vergnügte Ehe mit ihr geführt hatte. Wenn man den Charakter des Menschen vorzüglich da entdecken kann, wo er sich unbemerkt glaubt, so wird man es nicht unrecht finden, wenn ich hier die Worte, die Krünitz beim Tode seiner Gattin niederschrieb, wörtlich abdrucken lasse. Man erblickt ihn hier ganz so, wie er war, ohne alle Zurückhaltung und Verstellung. „Gott erfreue meine Seele,“ schrieb er bei ihrem Tode in sein Tagebuch: „vor seinem Angesichte, und vereinige uns nach seinem heiligen Willen, über lang oder kurz in einer bessern Welt, damit wir seine überschwengliche Güte, womit er sich an uns im Leben verherrlicht hat, in Ewigkeit rühmen und preisen. Er hat alles wohl gemacht! Er sey ferner mein Gott der Hülfe und des Trostes, dem ich von Herzen vertraue. So wie er meine der Seeligen vorangegangenen 4 Kinder (das nachher Verstorbene 5te lebte damals noch) im Reiche der Herrlichkeit mit ihrer Mutter erfreuet; so schenke er auch mir, und den noch lebenden beiden Kindern dereinst eine selige Nachfahrt.“

1786 den 16ten Julius verheirathete er sich zum zweitenmal mit der Demoiselle Charlotte Wilhelmine Halle, der einzigen Tochter des Herrn Joh. Sam. Halle, Professors der Geschichte am adelichen Kadettenkorps, mit der er, wie er selbst schreibt, stets ein Herz und eine Seele war.

Merkwürdig ist es; daß sich in seinen Papieren die Nachricht findet, daß er mehrere Werke für andere geschrieben, und selbige die Ehre der Autorschaft dafür habe einerndten lassen. Aber zur Ehre gereicht es ihm dabei, daß er seinem Worte als ehrlicher Mann getreu, die Namen derer, die mit seinem Kalbe pflügten, und dabei auf sich, als die Vollführer der Arbeit zeigten, nicht bemerkt hat. Umgearbeitet für andere hat er Robertsons Pferdearzneikunst, Krausens 50jährigen erfahrungsmäßigen Unterricht von der Gärtnerei, Hellwigs Anweisung zur leichten und gründlichen Erlernung der italiänischen doppelten Buchhaltung, den zweiten Band von Jakobsons Schauplatz der Zeugmanufakturen in Deutschland, und Hagens Versuch eines neuen Lehrgebäudes der praktischen Geburtshülfe.

Für den Herrn von Justi übersetzte er den 1sten bis 4ten Theil des Schauplatzes der Künste und Handwerker; auch dem Herrn Dr. Martini, dem Herausgeber der berlinischen Mannigfaltikeiten, bearbeitete er mehrere Uebersetzungen und eigene Ausarbeitungen zu diesem Journale. Was aber den besten Beweis von seiner keine Beschwerden scheuenden Arbeitsliebe war, ist die Anfertigung eines Generalregisters zum 6ten und 7ten Bande der berlinischen Beiträge zur Landwirthschaftswissenschaft, und des Registers zum 6ten bis 8ten Bande der Oeconomia forensis.

An der Dichtkunst fand er in jüngern Jahren vielen Geschmack, und ließ auch verschiedene deutsche und lateinische Gedichte drucken. So schrieb er auf 2 Bogen in 4to Characteres professorum in regia Viadrina, eine Nachahmung von Matthis Idea Professorum Goettingensium, in welchen er den Charakter der damaligen Lehrer auf der Universität zu Frankfurt, in 2 auf jeden Lehrer verfertigten Distichis schildert. Mehrere Nachricht hiervon giebt: Elogia illustrium praesentis aevi scriptorum lucubrationibus dicata a M. Mart. Christgan, Manip. Secund. Frf. A. V. 1766. 8-

Der sel. Baumgarten, welcher bekanntlich ein vortreflicher Lateiner war, würdigte das auf ihn gemachte Distichon einer Parodie, Krünitz hatte von ihm geschrieben:

Aeta Aetatis nostrae Pharus est praeclara Sophorum Cujus facundo ridet ab ore Charis Assiduis longo vexatus tempore morbis, Naturae leges vincit. Hygea stupet.
Baumgartens Parodie, die er auch zuweilen in Stammbücher einzuschreiben pflegte, war folgende:
Ad Dn. D. Krünitz, char. Prof. Viadrin.
Non opis est nostrae, naturae vincere leges; Ast idem medicae non opis esse scio. Rideo, dum vanas jubeo plorare cathedras, Portum si felix consequor ipse sophi.
A S. Baumgarten Pr. Phil. P. O.

Sonst hat er auch unter die Kupferstiche und Abbildungen einiger Gelehrte lateinische Schilderungen gemacht, z. B. unter die Bildnisse des Hofraths Dr. Henkel und des Kammergerichts-Advokaten Rudolphi, sie stehen im 6. St. Des 1. B. der Berlin. Samml. S. 644 abgedruckt. Auf Herrn Morand verfertigte er ein Lobgedicht, das bei Gelegenheit der auf denselben vom Herrn Dr. Henkel den 10. Sept. 1773 gehaltenen französischen Lobrede, in einer Privatversammlung abgelesen und in No. 495 der Gazette litter. de Berlin vom 20. Septbr. 1773 abgedruckt wurde. Seine Schriften kann man im gelehrten Berlin und in Meusels gelehrtem Deutschland nachlesen, in ersterm gab er sie gewissenhaft an, und schrieb nicht wie so mancher andere, nur in seiner eigenen Einbildung große Gelehrte, die Titel von Büchern dahin, die nie existirten, nie zum Vorschein kommen werden. Diesen Unfug rügte er vielmehr stark und heftig, so wie er sich ein Verzeichnis dieser nur im Titel vorhandenen Bücher, als eine Beitrag zur Charakteristik des leztern Dezennii unsers Jahrhunderts hielt. Eben so spürte er den Quellen, aus denen so mancher das ganze Wissen hervorholt, das er auf unsern litterarischen Märkten auskramt, und für eigene Fabrikwaare ausgiebt, besonders wenn diese Quellen veraltet, und folglich höchst unbekannt waren, aufs sorgfältigste nach, und musste oft, wenn man ihm ein neues Buch rühmte, aufs herzlichste lachen, wenn er nun in seine Bibliothek treten, ein älteres Buch hervorholen, es in einem in die Hand geben, und ihm zurufen konnte, ein Phoenix redivivus; sehen Sie, so trug und gebährdete er sich vor 100 bis 150 Jahren. Ich vermöchte dies mit Thatsachen zu belegen, die manche in Erstaunen setzen würden, aber ich will es des seligen Krünitzens und meinethalben lieber unterlassen. Jeder über dem Diebstahl ertappte und vor dem Publikum desfalls zur gefänglichen Haft gebrachte Schriftsteller vergisst einem so etwas in seinem Leben nicht, und nimmt, wo möglich, seinen Groll noch jenseit des Grabes mit hinüber; er bietet alles auf, sich an dem Lebenden und dem Todten zu rächen, und das möchte ich denn doch nicht, da der selige Krünitz gewiß nie daran dachte, einen solchen Raub öffentlich bekannt zu machen. Er wußte nehmlich wohl, daß es höchst ärgerlich seyn müsste, sich der Federn, mit denen man sich als mit Geschenken der gütigen Natur geschmückt, so auf einmal als eines Raubes fremden Guts entblößt zu sehen, und nun wieder mir nichts, dir nichts, wie jeder gewöhnliche Altagsmensch da zu stehen. Aber auch nicht einmal den Schwächlingen und Kindern mochte er ein Stein des Anstoßes und ein Fels der Aergerniß werden.

Die ökonomische Encyklopädie, unstreitig ein unvergängliches Denkmal seines Fleißes, war der ersten Einrichtung nach eine Uebersetzung der zu Verdun (recte: Yverdon, H.U.S.) seit 1770 in 16 Oktavbänden herausgekommenen Encyclopedie oeconomique, von dem Buchstaben B an wurde dieser Plan aber aufgegeben, und sie ist von hier an als seine eigene Arbeit zu betrachten. Wie sonderbar oft das Ansinnen der Gelehrten zu einander ist, mag folgende Anekdote beweisen. Ein junger Gelehrter kam zu dem seligen Krünitz, ihm eine vermeintliche Erfindung zu zeigen, und ihn desfalls um eine ehrenvolle Erwähnung in seiner Encyklopädie zu bitten. Ja, Ihre Erfindung ist recht schön, erwiderte Krünitz, aber ich fürchte sehr, daß Ich Ihnen wohl schwerlich werde dienen können, da sie in die letzten Buchstaben des Alphabets fällt, und ich wohl mit der Leiche schon mein Werk werde schließen müssen. Ist Ihnen daher an einer ehrenvollen Erwähnung von mir etwas gelegen, so bitten Sie Gott, daß er mich so lange gesund erhalte und ein ungewöhnliches Alter erreichen lasse. Doch dazu sehe ich Sie viel zu mitleidsvoll an, als daß Sie auch nur wünschen, und eines wie der Wind zerstöbenden Lobes halber, das mühsame und beschwerliche Alter eines Greises verlängert sehen wollten. So empfänglich unser Krünitz auch des Beifalls anderer war, und so wohl es ihm that, wenn man seine Verdienste anerkannte, und ihnen Gerechtigkeit widerfahren ließ, so wenig wollte er doch unmittelbar selbst zu Verbreitung seines Lobs beitragen. Als ihm der Herr Professor Gruner in Jena um einige Data zu seiner Biographie bat, schrieb er demselben: „Die Hochachtung, mit welcher ich bisher Ihre vorzüglichen Verdienste um die Arzneiwissenschaft und insonderheit deren gelehrte Geschichte in der Stille verehrt habe, ist durch die freundschaftliche Zuschrift mit welcher Dieselben unterm 4ten August d. J. (1777) mich beehrt und erfreut haben, aufs stärkste vermehrt worden. Sie verlangen meinen Lebenslauf zum Behuf der von Ihnen herauszugebenden Biographien jetzt lebender Aerzte und Naturforscher. Daß ich der Erfüllung des so oft wiederholten Ansuchen meines Freundes, des Herrn Professors Baldinger, in gleicher Absicht, mich bisher möglichst zu entziehen gesucht habe, kann nicht leugnen. Bei dem eignen Bewußtsein quam sit mihi curta suppellex, und meines Wahlspruchs: Licet sapere sine pompa, sine invida, stets eingedenk, konnte ich die Erwartungen meines Freundes, welche ein allzugütiges und freundschaftliches Urtheil von mir veranlasste, nicht erfüllen. Gleiche Ursachen finden noch jetzt Statt, auch die Erfüllung Ihres Wunsches zu verbitten, allein, in der Laufbahn von Jahren, die ich nunmehr zurück gelegt habe, würde man dasjenige was man mir bisher zur Bescheidenheit angerechnet hat, für einen Eigensinn auszulegen Ursach haben, wenn ich gegen die neue Aufforderung eines so großen Mannes, den aller Todischen Beschmitzungen ungeachtet, ein unpartheiischer Theil des gelehrten Publikums in Ihnen ehret, ferner widerspenstig seyn wollte. Gehorsam ist meines Erachtens nunmehr besser, als das Opfer, welches bisher meiner Bescheidenheit gebracht habe.“

Meine erste persönliche Bekanntschaft mit ihm, machte ich bei Gelegenheit eines Aufsatzes, den er mir für diese Zeitschrift gab, die ihn ganz für sich eingenommen hatte. Er sprach mit vieler Wärme für sie, wünschte ihr alle Unterstützung von Seiten des Publikums, und beneidete die Herausgeber, daß sie die ersten gewesen sein, die auf die Idee gekommen wären, regelmäßig fortlaufende Annalen für die neueste brandenburgische Geschichte in ihr zu liefern. Ungeachtet er bei dieser meiner ersten Bekanntschaft mit ihm beinahe schon 80 Jahre alt war, so fand ich dennoch den heitersten Gesellschafter, den zuvorkommenden Freund, und einen in der That anspruchslosen Gelehrten an ihm. Nicht auf die entfernteste Art suchte er das Gespräch auf sich und seine Werke zu leiten, und eben so wenig wich er ihm ängstlich oder mit einem imposanten Wink aus. Bescheidenheit ließ er allenthalben durchschimmern, und das, worauf er selbst Werth legte, war sein damals noch ganz ungeschwächtes und ganz ungewöhnlich starkes Gedächtnis, das er auch bis an sein Ende behielt, und seine Arbeitsamkeit. Szenen, die in seine frühe Jugend fielen, erzählte er mir mit einer Umständlichkeit, die mich in ein wirkliches Erstaunen setzte, und obgleich unser Gespräch auf verschiedene Fächer der Wissenschaften fiel, so war er doch allenthalben zu Hause, und wusste nicht nur, mir noch ganz unbekannte ältere Werke in einem jeden Fach anzuführen, sondern auch selbst Stellen in ihnen mit Beifügung der Pagina zu zitiren, wo sie sich über Materien verbreiteten, auf die wir im Verlauf unsers Gesprächs gekommen waren. Vorzüglich riß mich seine ganz unverkennbare Zufriedenheit mit der Vorsehung, seine Liebe zur Moralität und seine religiöse Gesinnung, die doch entfernt von allem Fanatismus war, dahin. So schwach der arme kranke Mann auch auf seinen Füßen war, so ließ er sich doch nicht abhalten, mehrmals in seine Bibliothek zu gehen, und mir da Werke zu holen, von denen ich ihm geäußert hatte, daß sie mir noch unbekannt wären, und daß ich sie zu sehen wünschte.

Er starb den 20sten Dezember 1796 morgens zwischen 8 und 9 Uhr plötzlich am Schlage, nachdem er Abends zuvor mit der größten Gesprächsheiterkeit in dem Hause des Herrn Geheimen Kommerzienraths Pauli, seines steten Freundes, in Gesellschaft gewesen war, und nichts von seinem so baldigen Ableben geahndet hatte.